Insbesondere die Verlängerung des notwendigen
Erklärungszeitraums auf zehn Kalenderjahre für alle Fälle der
Steuerhinterziehung könne in vielen Fällen zur Unmöglichkeit einer
Selbstanzeige führen, weil die erforderlichen Unterlagen nicht mehr
beizubringen seien. Auch Regierungsdirektor Klaus Herrmann, Leiter des
Referates für Fahndung und Strafsachen im Landesamt für Steuern in Koblenz,
plädierte in seiner Stellungnahme grundsätzlich für den Erhalt der
Selbstanzeige: „Das ist aus fiskalischer Sicht schon mal gut, denn das
Instrument der Selbstanzeige bringt dem Staat viele Millionen
Steuermehreinnahmen, die anders – trotz verbesserter Möglichkeiten der
Finanzverwaltung – nicht kommen würden. Daher sind die meisten Finanzämter froh
um jede Selbstanzeige.“
Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung
sieht vor, dass die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige im
Steuerrecht erheblich enger gefasst werden als bisher, unter anderem durch
niedrigere Grenzwerte. So soll die Grenze, bis zu der eine Steuerhinterziehung
ohne Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages bei Selbstanzeige straffrei
bleibt, von 50.000 auf 25.000 Euro gesenkt werden. Der zu zahlende Geldbetrag
soll abhängig vom Hinterziehungsvolumen gestaffelt werden. „Hervorzuheben ist
auch die vorgesehene generelle Ausdehnung des Berichtigungszeitraums auf zehn
Jahre für eine wirksame Selbstanzeige. Bisher besteht diese Verpflichtung nur
in Fällen einer besonders schweren Steuerhinterziehung“, heißt es im Entwurf.
Die Zehn-Jahres-Frist griff auch der Zentralverband des
deutschen Handwerks ZDH auf. Die Abgabe von korrigierten Steuererklärungen
werde erschwert, „da die erforderlichen Unterlagen zum Teil nicht mehr
vorhanden sind oder Wissensträger dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung
stehen“. Ähnlich äußerte sich in der Anhörung der Steuerberater Frank Wehrheim.
Auch nach Ansicht der Stiftung Familienunternehmen muss „Obacht gegeben werden,
dass die jetzt vorgesehenen Maßnahmen nicht das Ziel einer Rückkehr in die
Steuerehrlichkeit konterkarieren. Jede weitere Verschärfung der Selbstanzeige
kann dazu führen, dass das Instrument der Selbstanzeige weniger oder gar nicht
mehr genutzt wird“.
Wie die Stiftung Familienunternehmen begrüßten auch die
großen deutschen Wirtschaftsverbände in einer gemeinsamen Erklärung die
vorgesehene Korrektur einiger Regelungen aus dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz,
die zur Kriminalisierung von steuerehrlichen Unternehmen und deren Mitarbeitern
führen könnten, etwa im Fall irrtümlicher Angaben. Die Spitzenverbände
begrüßten, dass im Bereich der Steueranmeldung bei der Umsatz- und Lohnsteuer
Korrekturen vorgenommen würden, verlangten jedoch eine Ausweitung auch auf den
Bereich anderer Steuern wie Kapitalertragsteuer und Versicherungsteuer. Die
Verbände verlangten auch mehr Rechtsicherheit für Unternehmen. Es häuften sich
die Fälle, in denen vorsätzliches und strafbares Verhalten unterstellt werde,
auch wenn es nur um in einer Betriebsprüfung aufgedeckte Fehler gehe. Es würden
Straf- oder Bußgeldverfahren angedroht. Auch Berend Holst (Volkswagen AG)
schrieb in seiner Stellungnahme davon, dass im geltenden Recht bereits bloße
Arbeitsfehler kriminalisiert werden könnten. Deshalb gebe es in den
Unternehmen, aber auch in der Finanzverwaltung erhebliche Unsicherheit.
Die Aussagen der Wirtschaft stießen auf Widerspruch bei
anderen Sachverständigen. Für eine Vielzahl von Strafverfahren im
Unternehmensbereich gebe es keine Belege, sagte etwa Heinz-Joachim Mallach vom
Finanzamt Hagen (Nordrhein-Westfalen). Aus Sicht des Praktikers sei „keine
Kriminalisierung feststellbar“. Dass Fehler im Schwarzgeldbekämpfungsgesetz
korrigiert werden sollten, sei jedoch zu begrüßen. Hans-Peter Buckenberger
(Finanzamt Verden) ergänzte, seit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz gebe es
keinen Fall, der in einem Strafverfahren geendet habe.
Nach Angaben von Professor Markus Jäger (Richter am
Bundesgerichtshof) besteht die Korrekturmöglichkeit falscher Daten schon heute
und hat mit dem Institut der Selbstanzeige nichts zu tun. Es sei zwischen
Korrekturfällen und Straftaten zu unterscheiden. Die Selbstanzeige als Mittel
der Korrektur von Arbeitsfehlern zu betrachten, sei ein „grundsätzliches
Missverständnis“, weil der Hinterziehungsvorsatz fehle. Wenn jemand nach bestem
Wissen und Gewissen in einer Firma eine Steuererklärung unterschreibe, fehle das
für Steuerhinterziehung notwendige Willenselement. Den Befürwortern der
Selbstanzeige gehe es nur um eine „wasserdichte Lösung“, bei der der Vorsatz
erst gar nicht geprüft werden müsse.
Professor Rudolf Mellinghoff, der Präsident des
Bundesfinanzhofs, wies auf mögliche verfassungsrechtliche Probleme hin.
Verfassungsrechtliche Risiken könne es angesichts der enorm hohen Zuschläge
gebe. Ein weiteres Problem könne in der Verlängerung der Erklärungsfrist auf
bereits verjährte Zeiträume bestehen. Da stelle sich die Frage der
Ungleichbehandlung zwischen denen, die eine Steuererklärung abgeben würden und
denen, die keine abgeben würden.
Die Deutsche Steuergewerkschaft (DStG) hält das Institut der
Selbstanzeige als „Brücke zur Ehrlichkeit“ nur noch im Bereich einfacher
Steuerhinterziehung für vertretbar. Bei schwerer Steuerhinterziehung sollte
eine Selbstanzeige nicht mehr möglich sein. „Im Bereich schwerer
Steuerhinterziehung, insbesondere bei Schwarzgeldanlagen und mit Auslandsbezug,
geht es in aller Regel um direkten Vorsatz. Vergessen und Fahrlässigkeit
scheiden hier aufgrund konspirativen Vorgehens aus“, so die Steuergewerkschaft
in ihrer Stellungnahme. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit forderte, dass eine
Strafbefreiung beziehungsweise Strafminderung nur einmal im Leben möglich sein
sollte. Entsprechende Regelungen gebe es bereits in Kanada, Österreich und der
Schweiz. Auf einen anderen Aspekt verwies Klaus Herrmann vom Landesamt für
Steuern. Danach liegt der Schwerpunkt der Steuerhinterziehung nicht bei der
Kapitalertragsteuer, sondern bei der Einkommen- und Umsatzsteuer.
Quelle: heute im bundestag (hib) vom 12. November 2014, Nr. 577
13. November 2014 (Rechtsanwalt Hartmut Göddecke)