Es ist ein Fall, der
sicherlich nicht jeden Tag auf den Tisch eines Finanzbeamten kommt. Ein
Ärzteehepaar, das selbstständig eine Praxis betrieb, erwirtschaftete 2001 einen
Gewinn in Höhe von etwa DM 450.000,00. Den gesamten erwirtschafteten Praxisertrag
ließen die beiden Mediziner durch ihren Steuerberater dem Finanzamt im Rahmen
der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns angeben. Nach den
Vereinbarungen, die das eheliche Ärzteteam getroffen hat, sollte der Gewinn
hälftig geteilt werden, auch dieses wurde der Finanzbehörde auf den amtlichen
Formularen mitgeteilt.
In der persönlichen
Einkommensteuererklärung hingegen wurde der Betrag für den Ehemann zur Hälfte
von etwa DM 225.00,00 korrekt eingetragen, allerdings bei der Ehefrau nur zu
einem Viertel (DM 125.000,00) – ein Tippfehler, wie man später vor dem
Finanzgericht argumentierte. Dieser Fehler in der Einkommensteuererklärung fiel
dem Finanzbeamten bei der Steuerfestsetzung nicht auf, so dass die Steuerlast natürlich
zu gering ausfiel. Als die zu wenig festgesetzte Steuer bemerkt wurde, war es
für eine erneute Steuerfestsetzung im regulären Gang der Dinge zu spät. So
argumentierte das Finanzamt, dass die Ehefrau diesen Fehler seinerzeit
hätte erkennen können und deshalb die
Steuer leichtfertig verkürzt worden sei. Mit anderen Worten: Das Finanzamt
machte die Ärztin zur Steuersünderin.
Das Finanzgericht
München in der ersten Instanz gab der Ärztin recht, anders der BFH. Auch wenn
ein Steuerberater bei dem Erstellen der Unterlagen für die Steuererklärung
eingeschaltet worden sei, hätte der Medizinerin dieser Tippfehler auffallen
müssen. Konkret hätte sie nachfragen müssen, weshalb sich hier eine Diskrepanz
zwischen ihrem Einkommen in der Einkommensteuererklärung – ein Viertel des
Betriebsgewinnes – ergäbe im Verhältnis zu dem richtig festgestellten
Gewinnanteil von 50 %. Da sie diese Frage an ihren Steuerberater unterlassen
habe zu stellen, habe sie leichtfertig die Steuer verkürzt; dagegen spräche
nach Ansicht der obersten Finanzrichter nicht, dass die Angaben im Rahmen der
einheitlichen und gesonderten Feststellung richtig gewesen seien.
Stellungnahme der Kanzlei Göddecke
Der Fiskus macht es
sich einfach, wenn er fordert, dass der Steuerpflichtige nicht einfach
ungeprüft das Papierbündel, das er von seinem Steuerberater erhält,
unterschreiben kann und dann dem Finanzamt zusendet.
Die Auswirkungen
dieser Entscheidung sind gravierend: Unabhängig von der Frage, dass Steuern
nachzuzahlen sind, besteht die Gefahr, dass ein Steuerpflichtiger schneller als
geplant in ein Strafverfahren
hineingezogen wird. Das wiederum kann zur Folge haben, dass empfindliche
berufs- oder disziplinarrechtliche Konsequenzen eintreten können. Dagegen hilft
es bedauerlicher Weise nur eingeschränkt, wenn man argumentiert, dass der
Steuerberater die eigentliche Quelle des Fehlers ist.
Quelle: Bundesfinanzhof (BFH) Urteil vom 23. Juli 2013, Az. VIII R 32/11
08. Oktober 2013 (Rechtsanwalt Hartmut Göddecke)